Schon früh war klar: In Karim Rida steckte viel Energie. „Mit dem Jungen müssen wir etwas machen“, dachten sich seine Eltern. Mit vier Jahren begann er sein Training im Turn- und Sportclub Strausberg, wo er sich beim Turnen richtig auspowern konnte. Anfangs war er nicht immer mit Freude dabei. „Karim ist öfter einfach weggelaufen“, erzählte sein Opa später. Doch mit der Zeit entwickelte Karim eine echte Leidenschaft für den Turnsport. Mit neun Jahren wechselte der Berliner auf die Sportschule, die das Turnen mit dem Schulalltag verband und ihm die Möglichkeit bot, sein Abitur zu absolvieren, während er sich an die Weltspitze turnte.
Der sportliche Durchbruch
Seine erfolgreichste Phase erlebte Karim zwischen seinem 17. und seinem 21. Lebensjahr. An diese Zeit erinnert er sich gerne zurück: „Für mich war die Zeit traumhaft, weil alles optimal lief.“ Ein besonderer Höhepunkt war für ihn die Junioren-Europameisterschaft 2018 in Glasgow, bei der er am Barren den zweiten Platz belegte. Gemeinsam mit seinem Team zeigte er großen Zusammenhalt und sportliches Können. Ein Jahr später erlebte Karim sein Karriere-Highlight: die Heim-Weltmeisterschaft in Stuttgart.
Für den jungen Turner war es ein unvergessliches Erlebnis, vor heimischem Publikum anzutreten. „Dass ich das miterleben durfte vor unseren eigenen Fans – dieses Gefühl werde ich nie vergessen“, sagt er rückblickend. Bei diesem Event qualifizierte sich sein Team für einen Startplatz bei den Olympischen Spiele in Tokio. Auch bei den Deutschen Meisterschaften 2019 gelang ihm ein beeindruckender Einstand in der Seniorenklasse: Karim wurde im Sechskampf direkt Dritter und stand gemeinsam mit den etablierten Stars Andreas Toba und Marcel Nguyen auf dem Podest.
Immer wieder aufstehen
Obwohl sich Karim gut vorbereitet hatte, mussten die Olympischen Spiele aufgrund der COVID-19-Pandemie auf das Jahr 2021 verschoben werden. Zu dieser Zeit absolvierte Karim die Grundausbildung bei der Bundeswehr und wurde Sportsoldat. Wenige Wochen vor der Qualifikation kugelte er sich jedoch den Finger aus und konnte nicht teilnehmen. Auch die Weltmeisterschaft 2021 brachte kein Happy End: Kurz vor der Qualifikation plagten ihn Knieprobleme, die Operation verlief schlecht und der Heilungsprozess zog sich lange hin.
Für die Deutschen Meisterschaften 2023 hatte Karim sich vorgenommen, wieder im Sechskampf anzutreten. Aufgrund eines körperlichen Tiefs startete er aber nur an zwei Geräten. Am Pauschenpferd erreichte er dann das Finale, verletzte sich dort jedoch erneut am Finger. Anschließend musste Karim wegen einer Muskelverletzung in der Schulter eine halbjährige Wettkampfpause einlegen. Im Jahr 2024 kämpfte er sich zurück, startete bei den Deutschen Meisterschaften und turnte trotz Schmerzen.
Der Weg zur Eintracht
Nach dem Wettkampf nahm sein ehemaliger Teamkollege und Freund Daniel Wörz ihn mit nach Frankfurt. Gemeinsam mit dem Eintracht-Turner verbrachte Karim viel Zeit in der Halle und trainierte an den Geräten. Dabei lernte er das Eintracht-Team kennen und fühlte sich sofort gut aufgehoben. „Es waren nette Menschen und ein schönes Umfeld – ich habe mich direkt wohlgefühlt“, erzählt Karim. Zur Saison 2024 wechselte er zur Eintracht. Der Vereinswechsel gab Karim einen neuen Impuls und neue Kraft. „Ich habe alles versucht. Ich habe gegessen, geschlafen, trainiert und regeneriert. Ich habe mich nur auf das Turnen konzentriert“, berichtet Karim. Jeder Tag brachte neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen, sich zu beweisen und besser zu werden.
Die Entscheidung
Karim hatte immer ein großes Ziel vor Augen: die Olympischen Spiele. Es wäre für ihn der absolute Traum gewesen, nach den vielen Verletzungen zurückzukehren. Er wusste genau, was nötig wäre, doch stellte sich die Frage: „Lohnt sich das? Macht mein Körper das mit?“ Für eine echte Rückkehr bräuchte er eine Phase von ein bis zwei Jahren konstanten Trainings – etwas, das er beim Blick auf die vergangenen Jahre nicht sehen konnte.
Die endgültige Entscheidung fiel ihm unglaublich schwer. Beim Gespräch am Stützpunkt wollte er eigentlich nur vorschlagen, einmal am Tag zu trainieren, um so den Spaß an der Halle wiederzufinden. Doch während des Gesprächs merkte er selbst, wie sehr sich seine Einstellung verändert hatte: „Ich konnte gar nicht richtig glauben, was ich da gesagt habe.“ Plötzlich sei da kein Enthusiasmus mehr gewesen, sondern vielmehr das Gefühl „als hätte man einen Schalter umgelegt. Ich konnte nicht mehr in die Halle, ich wollte einfach nicht mehr.“
Man sagt es sich viel zu selten, aber wenn ich zurückblicke, bin ich wirklich stolz darauf, schon in jungen Jahren so viel erreicht zu haben.
Karim Rida, Geräteturner
Karim war ein Allrounder im Sechskampf, an allen Geräten verlässlich. Er hat gelernt, was es heißt, nach Rückschlägen wieder aufzustehen. Besonders dankbar auf diesem Weg ist er seinem langjährigen Trainer Laurent Maertens: „Mit Laurent hat es auf menschlicher Ebene gepasst. Ich konnte ihm vertrauen und mit ihm über alles sprechen.“ Auch wenn Karim seine Karriere beendet, nimmt er vieles aus dieser intensiven Zeit mit: Erfahrungen, Freundschaften und Lektionen fürs Leben. Der junge Sportler schaut mit Stolz auf seine Laufbahn zurück: „Man sagt es sich viel zu selten, aber wenn ich zurückblicke, bin ich wirklich stolz darauf, schon in jungen Jahren so viel erreicht zu haben.“ Karim richtet seinen Blick nun nach vorne und konzentriert sich auf sein Studium. Ob und in welcher Form er dem Turnsport erhalten bleibt – das wird die Zeit zeigen.